Natürliche und anthropogene Ursachen der Arsenmobilisierung

Einfluss von Haushaltsabwässern auf die Arsenmobilisierung ins Trinkwasser –
geochemische und statistische Untersuchungen in Sylhet, Bangladesch

(Forschungsprojekt 2017-2019)

 

Nach den Vereinten Nationen (UN) gehört sauberes Wasser zu den Menschenrechten, weshalb der Zugang zu sauberem Trinkwasser ein zentrales Ziel der nachhaltigen Entwicklung ist (Agenda 2030). Die Umsetzung dieses Menschenrechts stellt weiterhin eine globale Herausforderung dar, denn in vielen Teilen der Welt ist das Trinkwasser belastet.

 

Ein besonders gravierender Schadstoff ist Arsen. Die Forschung zeigt, dass Arsen sich langfristig negativ auf die Gesundheit auswirkt, und Haut-, Lungen-, Blasen-, Nieren-, sowie Leberkrebs verursachen kann. Es schadet der Funktion von Nerven-, Herzkreislauf- und Immunsystem und hat mit hoher Wahrscheinlichkeit nachteilige Auswirkungen auf die Kindesentwicklung während der Schwangerschaft (Naujokas et al. 2013). Die Aufnahme von Arsen erfolgt überwiegend über das Trinkwasser. In vielen Ländern ist mit Arsen belastetes Grundwasser ein gewaltiges und vernachlässigtes Gesundheitsproblem. Betroffen sind insbesondere Argentinien, China, Taiwan, Indien, Nepal und Bangladesch. Aufgrund der dichten Besiedlung ist die Arsenbelastung in Bangladesch besonders problematisch (Smith et al. 2000). Etwa 25% der Bevölkerung Bangladeschs (rund 40 Millionen Menschen) sind regelmäßig Arsengehalten im Grundwasser ausgesetzt, die den empfohlenen Grenzwert der WHO (10µg/l) überschreiten (BBS & UNICEF 2015).

 

Es ist nachgewiesen, dass die Belastung des Grundwassers durch natürlich auftretendes Arsen und lokale biogeochemische Prozesse verursacht wird. Die genauen Mechanismen des Arsenmobilisierungsprozesses sind jedoch weiterhin unklar. In Bangladesch ist das Arsen geogenen Ursprungs und tritt in Verbindung mit Eisen- oder Karbonatmineralen auf. Ungünstige Bedingungen im Grundwasser führen zur Auflösung der arsenhaltigen Minerale und damit zur Freisetzung des angelagerten Arsens. Es wird angenommen, dass organischer Kohlenstoff den Prozess der Arsenmobilisierung verstärkt ̶ durch die Unterstützung mikrobieller Aktivität, was die Entstehung reduzierender Verhältnisse beeinflussen kann (Lawson et al. 2016). Außerdem können Phosphate zur Arsenfreisetzung beitragen, indem sie um Sorptionsplätze konkurrieren (Maier et al. 2017).

 

Arsenmobilisierung wird durch natürliche Prozesse beeinflusst (Smedley & Kinniburgh 2002). Bei flachen Rohrbrunnen ist allerdings anzunehmen, dass menschliche Aktivität lokal zum Prozess der Arsenmobilisierung beiträgt. Ravenscroft et al. (2002) gehen davon aus, dass die Verwitterung von Torf der natürliche Antrieb der ablaufenden Mobilisierungsprozesse ist. Sie verweisen allerdings auf die Notwendigkeit, den Einfluss von Latrinen auf die ablaufenden Prozesse genauer zu untersuchen. Diese Hypothese wurde seitdem nicht weiter verfolgt. Erst in aktuellen Studien wird der bisher unberücksichtigte Einfluss menschlicher Abwässer auf die Arsenmobilisierung wieder aufgegriffen (Whaley-Martin et al. 2017). Sowohl durch einfache als auch verbesserte Latrinensysteme gelangen Fäkalien in das Grundwasser (Escamilla et al. 2013), wodurch mikrobielle Belastungen sowie Phosphate und moderner organischer Kohlenstoff in Sediment und Grundwasser eingetragen werden. Bisherige Studien zeigen, dass bei Brunnen in unmittelbarer Nähe zu Abwasserabflüssen oder Latrinen eine negative Korrelation zwischen Fäkalmarkern und Arsenbelastung besteht (McArthur et al. 2012). Diese Arbeiten berücksichtigen allerdings nicht, dass anoxische Bedingungen durch mikrobielle Prozesse hervorgerufen werden, die zeitlich verzögert stattfinden. Dadurch ist anzunehmen, dass die Arsenmobilisierung erst mit einem bestimmten Abstand im Abstrom der Latrinen auftritt. Um die komplexe Beziehung und die ablaufenden geochemischen Prozesse vollständig zu verstehen ist ein Forschungsansatz notwendig, der den zeitlichen und räumlichen Kontext sanitärer Einflussfaktoren wie Latrinentyp, Standort und Nutzungsgrad mitberücksichtigt.

 

 

          

Abb 1: Oberflächengewässer sind aufgrund von häuslichen Abwässern häufig eutrophiert und speisen das Grundwasser mit Organik und Phosphat.

Abb 2: Fast jede Familie hat einen eigenen einfachen Pumpbrunnen. Häufig ist die technische Ausstattung mangelhaft und es können vertikale Eintritte von Abwässern in das Grundwasser stattfinden – beispielsweise bei defekten Bodenplatten wie hier.

 

Zusätzlich negative Auswirkungen auf Trinkwasserqualität und Arsenmobilisierung haben möglicherweise übliche soziokulturelle Praktiken im ländlichen Bangladesch, wie die unangemessene Entsorgung von Abwässern, zu geringe Abstände zwischen Latrinen und Brunnen oder schlecht gewartete sanitäre Infrastruktur (Escamilla et al. 2013, Dey et al. 2017). Während die Akzeptanz der bangladeschischen Bevölkerung bezüglich der möglichen Methoden zur Arsenbeseitigung bereits umfangreich untersucht wurde, liegen bisher nur wenige Studien zur Wahrnehmung und Motivation der ländlichen Bevölkerung hinsichtlich ihres sanitären Verhaltens vor.    

 

         

Abb 3 und 4: In der Regel sind die Pumpbrunnen direkt neben den einfachen Latrinen, durch welche die Abwässer ungeklärt in das Grundwasser gelangen. Der Brunnen auf dem linken Bild befindet sich an der linken Außenwand der Latrine auf dem rechten Foto und somit kaum einen Meter von dem Abwassereintrag entfernt.

 

Unser Ziel ist es zu verstehen, wie das komplexe Zusammenspiel soziokultureller und sanitärer Faktoren die hydrogeochemischen Prozesse beeinflusst, die zur Arsenbelastung des Trinkwassers führen. Im Rahmen unseres Forschungsvorhabens soll der Einfluss sanitärer Faktoren auf die Arsenmobilisierung quantitativ erfasst werden unter Berücksichtigung soziokultureller Aspekte sanitärer Praxis. Langfristig möchten wir zu der Entwicklung von Alternativen beitragen, um die Arsenbelastung des Grundwassers effizienter zu reduzieren und um politische Leitfäden für verbesserte sanitäre Strukturen zu entwerfen. Dieses Pilotprojekt in Bangladesch soll eine methodische Grundlage bilden, die für andere Regionen mit vergleichbaren Wasserproblemen angepasst angewendet werden kann.

 

Vorläufige Datenerhebung

Das vorgestellte Forschungsprojekt wird im Rahmen der Studie „Food and Agriculture Approaches to Reducing Malnutrition“ (FAARM) erfolgen, für die Dr. Jacobs seit Dezember 2016 arbeitet. FAARM ist eine cluster-randomisierte Studie, die von Dr. Sabine Gabrysch an der Universität Heidelberg in Zusammenarbeit mit der Hilfsorganisation „Hellen Keller International“ (HKI) durchgeführt wird. Die Studie evaluiert die Wirkung des „Homestead Food Production“- Programms von HKI auf Wachstumshemmungen bei Kindern. 2700 junge Frauen aus 96 Dörfern in Sylhet, im Nordosten Bangladeschs, nehmen an der Studie teil. In 48 Dörfern wird eine Intervention durchgeführt, bei der die Frauen Unterstützung durch HKI erhalten, für den Anbau ganzjähriger Hausgärten, Hühnerhaltung sowie die Umsetzung besserer Ernährung und Hygiene. Das FAARM Projekt bietet die notwendige Infrastruktur für die Untersuchung der komplexen anthropogenen Einflüsse auf Arsen. Sylhet gehört zu den am stärksten arsenbelasteten Regionen Bangladeschs. 38% der Einwohner nutzen Grundwasser, das den WHO-Grenzwert von 10 µg/l überschreitet und 25% sind Arsenkonzentrationen oberhalb des bangladeschischen Grenzwertes von 50 µg/l ausgesetzt (BBS & UNICEF 2015).

 

Abb 5: Ergebnisse der 250 beprobten Brunnen in Sylhet 2017. Die Arsengehalte schwanken regional sehr deutlich.

 

Im Frühjahr 2017 wurde eine Umfrage durchgeführt, um Informationen über die Brunnennutzung von 250 Haushalten innerhalb des FAARM Studienbereichs zu sammeln. Dabei wurden die Brunnen nummeriert und Wasserproben entnommen.

 

Die Laboranalysen wurden von Dr. Maier und der Arbeitsgruppe Hydrogeochemie durchgeführt. Die Ergebnisse zeigen weit streuende Arsenkonzentrationen von unterhalb der Detektionsgrenze bis zu mehr als 400 µg/l. 68% der beprobten Brunnen überschritten den WHO Grenzwert von 10 µg/l und 35% lagen oberhalb des bangladeschischen Grenzwerts von 50 µg/l. Die vollständige Messung aller geochemischen Parameter ist noch nicht abgeschlossen.

 

Von Dr. Maier und seinem Team wurden zwischen 2014 und 2017 im Distrikt Ullapara im Nordwesten Bangladeschs mehrere hydrogeochemische Untersuchungen durchgeführt. Dabei zeigte sich an drei Standorten, dass Brunnen mit hohen Arsengehalten insbesondere in der Nähe intensiv genutzter Latrinen (z.B. in Schulen) auftreten. Diese Beobachtung bedarf einer statistischen Verifizierung durch eine ausreichend große Probenmenge, was am Standort in Sylhet möglich ist.

 

Das HCE-Start Projekt wird als Anschubfinanzierung genutzt, um die Kooperation zu etablieren und erste Ergebnisse für mindestens eine gemeinsame Publikation zu sammeln. Das Projekt soll außerdem die Plattform für mehrere interdisziplinäre Doktorarbeiten bieten. Es wird angestrebt, die gemeinsame Forschungsarbeit fortzuführen, um die Anwendbarkeit des hier vorgestellten Ansatzes auch in anderen Regionen zu evaluieren.

 

https://www.hce.uni-heidelberg.de/forschung/Arsen.html

 

Literatur

Naujokas, M. F., Anderson, B., Ahsan, H., Aposhian, H. V., Graziano, J. H., Thompson, C. & Suk, W. A. (2013): The Broad Scope of Health Effects from Chronic Arsenic Exposure: Update on a Worldwide Public Health Problem. In: Environmental Health Perspectives 121.3, S. 295-302. doi: 10.1289/ehp.1205875.

 

Smith, A. H., Lingas, E. O. & Rahman, M. (2000): Contamination of drinking-water by arsenic in Bangladesh: a public health emergency. In: Bulletin of the World Health Organization 78, S. 1093-1101.

 

BBS & UNICEF (2015): Bangladesh Multiple Indicator Cluster Survey 2012-2013 Final Report. Techn. Ber. Bangladesh: BBS/UNICEF, S. 272.

 

Lawson, M., Polya, D. A., Boyce, A. J., Bryant, C., Mondal, D., Shantz, A. & Ballentine, C. J. (2013): Pond-Derived Organic Carbon Driving Changes in Arsenic Hazard Found in Asian Groundwaters. In: Environmental Science & Technology 47.13, S. 7085-7094. doi: 10.1021/es400114q.

 

Maier, M. V., Isenbeck-Schröter, M., Klose, L. B., Ritter, S. M. & Scholz, C. (2017): In Situ-mobilization of Arsenic in Groundwater - an Innovative Remediation Approach? In: Procedia Earth and Planetary Science 17, S. 452-455. doi: 10.1016/j.proeps. 2016.12.114.

 

Smedley, P. L. & Kinniburgh, D. G. (2002): A review of the source, behaviour and distribution of arsenic in natural waters. In: Applied Geochemistry 17, S. 517-568.

 

Ravenscroft, P., McArthur, J. & Hoque, B. (2001): Geochemical and Palaeohydrological Controls on Pollution of Groundwater by Arsenic. In: Arsenic Exposure and Health Effects IV. Hrsg. von W. Chappell, C. Abernathy & R. Calderon. IV. Bd. 5. Oxford: Elsevier Science Ltd. Kap. Geochemica, S. 53-78.

 

Whaley-Martin, K. J., Mailloux, B. J., Geen, A. van, Bostick, B. C., Ahmed, K. M., Choudhury, I. & Slater, G. F. (2017): Human and livestock waste as a reduced carbon source contributing to the release of arsenic to shallow Bangladesh groundwater. In: Science of The Total Environment 595, S. 63-71. doi: 10.1016/j.scitotenv.2017.03.234.

 

Escamilla, V., Knappett, P. S. K., Yunus, M., Streatfield, P. K. & Emch, M. (2013): Influence of Latrine Proximity and Type on Tubewell Water Quality and Diarrheal Disease in Bangladesh. In: Annals of the Association of American Geographers 103.2, S. 299-308. doi: 10.1080/00045608.2013.756257.

 

McArthur, J., Sikdar, P., Hoque, M. & Ghosal, U. (2012): Waste-water impacts on groundwater: Cl/Br ratios and implications for arsenic pollution of groundwater in the Bengal Basin and Red River Basin, Vietnam. In: Science of The Total Environment 437, S. 390-402. doi: 10.1016/j.scitotenv.2012.07.068.

 

Neumann, R. B., Ashfaque, K. N., Badruzzaman, A. B. M., M., A. A., Shoemaker, J. K. & Harvey, C. F. (2010): Anthropogenic influences on groundwater arsenic concentrations in Bangladesh. In: Nature Geoscience 3.1, S. 46-52. doi: 10.1038/ngeo685.

 

Dey, N. C., Parvez, M., Dey, D., Saha, R., Ghose, L., Barua, M. K., Islam, A. & Chowdhury, M. R. (2017): Microbial contamination of drinking water from risky tubewells situated in different hydrological regions of Bangladesh. In: International Journal of Hygiene and Environmental Health 220.3, S. 621-636. doi: 10.1016/j.ijheh.2016.12.007.

 

Zurück